Wir haben gute Nachrichten für alle Amateurradsportler, denen im Winter nicht viel Zeit zum Trainieren bleibt: Man muss nicht Tausende von Kilometern fahren und viele Stunden in die Pedale treten, um besser zu werden oder sich auf die kommende Saison vorzubereiten. Das winterliche Ausdauer- bzw. aerobe Grundlagentraining ist eine traditionelle Trainingsplanungsstrategie aus dem Profiradsport, die ihren Weg in den Amateurbereich gefunden hat. Ihre Anwendung im Amateursport ist jedoch einer der vielen Fehler, die beim Training im Winter gemacht werden. Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Fehler und wie man sie vermeidet:
Keinen Belastungstest durchführen
Bevor wir mit der Planung beginnen, müssen wir unsere Ausgangslage kennen und wissen, wo wir stehen.
Lasse dich zuallererst von einem Arzt durchchecken. Vor allem, wenn du Anfänger bist und gerade erst mit dem Training startest.
Nach dem Check-up solltest du einen Belastungstest durchführen lassen, um dein aktuelles Fitnessniveau zu bestimmen und herauszufinden, bis zu welchem Punkt du intensiver Anstrengung standhalten kannst und wann du die aerobe Schwelle überschreitest.
Am besten führst du diesen Test unter professioneller Aufsicht durch, da du deinen Körper bis an seine Grenzen belasten wirst. Außerdem kann ein Arzt bei diesem Test Probleme ausmachen, die bei einer normalen ärztlichen Untersuchung nicht auffallen würden.
Du kannst den Test auch selbst in deiner Wohnung oder im Freien durchführen, aber sei vorsichtig. Brich den Test ab, sobald du irgendwelche ungewöhnlichen Symptome bemerkst. Um den Test selbst durchzuführen, solltest du die neueste Technologie verwenden. Fast alle Apps fürs Indoorcycling oder das virtuelle Radfahren sowie auch viele Fahrradcomputer verfügen über eine Belastungstestfunktion. Nach dem Test erstellen sie eine Tabelle mit deinen Trainings-Herzfrequenzbereichen.
Vor der Verbreitung von Powermetern wurde der Conconi-Test üblicherweise mit Herzfrequenzmessgeräten durchgeführt. Heute braucht es für den FTP-Test (Functional Threshold Power) einen Powermete oder einen Smart Trainer. Beide Tests helfen dir dabei, deine Herzfrequenzzonen (Puls und Watt) zu bestimmen und mit dem Training zu starten.
Darüber hinaus empfehlen wir, den Test von Zeit zu Zeit (alle 4-6 Wochen) zu wiederholen, so kannst du deine Fortschritte überprüfen.
Nicht nach einem individuellen Trainingsplan trainieren
Nicht alle Radsportler sind gleich, nicht alle haben den gleichen Ausgangspunkt und nicht alle die gleichen Ziele. Idealerweise sollte man sich an einen Experten wenden, der einem einen Trainings- und Ernährungsplan aufstellt, der auf die eigenen Ziele und Möglichkeiten zugeschnitten ist.
Man kann sich auch selbst informieren und alles selbst machen, doch die Gefahr ist groß, dass man hinterher eben nicht schlauer ist als vorher und die Fehlerquote ist wahrscheinlich wesentlich höher als bei einem gut ausgebildeten Fachmann, der es gewohnt ist, mit vielen unterschiedlichen Typen von Radsportlern zusammenzuarbeiten.
Radprofis kopieren
Die Profis konzentrieren sich ganz auf Training und Rennen. Ihr Training ist perfekt strukturiert, um eine ganze Saison voller Rennen durchzustehen und im Laufe der Monate Höchstleistungen zu erbringen. Alle anderen Radsportler widmen ihre Zeit nicht ausschließlich dem Radsport, daher können und müssen sie nicht so viel trainieren wie die Profis, weder vom Umfang noch von der Intensität her. Arbeit, Studium, Familie und Freunde sind ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Das gilt auch für Profisportler, die ihr Fahrrad auch gerne mal öfter links liegen lassen würden, um Zeit mit ihrer Familie zu verbringen.
Training ohne klare Ziele
Wenn wir nicht genau wissen, wo wir hinwollen oder was wir erreichen wollen, wird es uns schwerfallen, unseren Plan durchzuziehen. Ziele sollten SMART sein: Spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und zeitlich begrenzt.
Beispiele: Ein Sommerradrennen in unter 6 Stunden beenden. Innerhalb von 3 Monaten die Zeit auf dem Bergpass um 1 Minute verbessern. Leistungssteigerung bei kurzen Anstrengungen, um die eigenen Sprints zu verbessern.
Zu wenig Ruhepausen
Radfahren. Essen. Schlafen. Und alles wieder auf Anfang. Und wir Normalsterblichen müssen auch noch arbeiten. Denke daran, dass wir keine Profis sind und dass ein Job, egal ob geistig oder körperlich, auch anstrengend ist. Ob man nun auf einem Stuhl sitzt, in einem Geschäft steht oder in einen Lieferwagen ein- und aussteigt, all das wirkt sich auf uns aus. Wenn man sich nicht ausreichend ausruht (geistig und körperlich) und richtig ernährt, gibt man seinem Körper nicht genug Zeit, um das Training zu verarbeiten, ein weiteres Training zu absolvieren und schließlich die notwendigen Anpassungen für eine Leistungssteigerung vorzunehmen.
Immer dran denken: Leistung ist die Summe aus Training und Erholung.
Nicht flexibel sein
Der Trainingsplan ist nicht in Stein gemeißelt und das Leben hält viele Überraschungen bereit. Besser man versucht sich anzupassen, als auf Teufel komm raus den Plan einzuhalten. Wenn man sich strikt an einen Trainingsplan hält, kann das zu körperlicher Erschöpfung führen, weil man unter Schmerzen trainiert oder zu müde ist. Oder zu geistiger Erschöpfung aufgrund von Stress, Überlastung oder der eigenen Ansprüche an sich selbst.
Zu viele verpasste Einheiten nachholen wollen
Manchmal können wir, aus welchen Gründen auch immer, den Zeitplan nicht einhalten. Das ist in Ordnung. Es ist besser genau dort wieder anzuknüpfen, als zu versuchen das Versäumte nachzuholen, indem man alles in 1 oder 2 Trainingseinheiten packt. Manchmal ist es besser, die Trainingseinheiten aufzuteilen, um sich der tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit anzupassen.
Immer auf demselben Terrain trainieren
Wir alle sind uns einig, dass es im Winter am einfachsten ist, immer wieder dieselbe Strecke zu fahren, doch dabei läuft man Gefahr, sich zu langweilen, die Motivation zu verlieren und, was noch schlimmer ist, nicht auf andere Terrains vorbereitet zu sein. Achte darauf, dass deine Trainingsstrecke von allem etwas bietet (flache Strecken, kurze und lange Anstiege, Abfahrten, Kurven, Geraden) oder suche dir mehrere Strecken, die du unter der Woche absolvierst.
Der Mythos, im Winter NUR das Grundlagentraining zu absolvieren
Die überwiegende Mehrheit der Radsportler hat nicht viel Zeit zum Trainieren. Die Anwendung einer althergebrachten Trainingsformel aus dem Profiradsport macht also wenig Sinn. Mehrere Studien (1, 2 und 3) haben gezeigt, dass ein Amateurradsportler mit weniger Trainingsstunden die gleichen Ergebnisse erzielen kann wie mit LSD-Ausdauertraining (Long Slow Distance). Allerdings handelt es sich hierbei um ein Training bei hoher Intensität, was eine stärkere Belastung der Muskeln und einen höheren Erholungsbedarf bedeutet. Dennoch ist es wichtig, Langstreckentraining mit hochintensivem Training zu kombinieren, insbesondere wenn man an Rennen oder Veranstaltungen teilnimmt, bei denen man viele Stunden im Sattel sitzt. Für Radsportler, die gerade erst am Anfang stehen, ist es vor dem intensiven Training sinnvoll, sich eine aerobe Basis zu schaffen.
Keine Technologie verwenden
Heutzutage gibt es eine Vielzahl von Hilfsmitteln, um das eigene Training, die Ermüdung und die Erholung zu messen und zu kontrollieren. Vom einfachen Herzfrequenzmesser, der bei richtiger Anwendung viele nützliche Daten liefern kann, über Glukosesensoren, die von der UCI für Wettkämpfe verboten wurden bis hin zu den sehr nützlichen Powermetern oder Smartwatches, die den Schlaf und andere physiologische Parameter überwachen. Für all diese Geräte gibt es spezielle Apps, mit denen man umfangreiche Daten auf seinem Handy sammeln kann. Um die eigene Fitness zu kennen, sollte man jedoch wissen, wie man diese Daten analysieren kann. Was uns zu folgendem Fehler führt:
Die eigene Unwissenheit nicht erkennen
Der griechische Philosoph Sokrates sagte, dass “die wahre Weisheit darin besteht, die eigene Unwissenheit zu erkennen”. Wenn du also nicht weißt, wie du all die Daten, die dir Tools und Technologien bieten, analysieren und sinnvoll nutzen kannst, solltest du dir einen Experten (Coach, Ernährungsberater) zur Unterstützung suchen.
Nicht auf die Signale des eigenen Körpers hören
Wegen all der technologischen Errungenschaften sind viele von uns Radsportlern dazu übergegangen, beim Training nicht mehr auf die eigenen Beine und Muskeln zu hören, sondern sich strikt an Daten und Zahlen zu halten, so als ob wir Maschinen wären. Ein großer Fehler. Der Körper sendet uns ebenfalls Signale und wir müssen auf sie achten und sie zusammen mit all den Daten analysieren. Ja, wir sollten die Technologie nutzen, aber dabei sollten wir den gesunden Menschenverstand nicht vergessen.
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