Falls du mit Radfahren und Diäten planst abzunehmen, hast du sicher schon vom intermittierenden Fasten gehört. Sitzt du schon länger auf dem Rad, ist dir Training auf nüchternen Magen sicherlich auch nicht unbekannt. Und nachdem du von all den Vorteilen gelesen oder erfahren hast, die intermittierendes Fasten angeblich mit sich bringt, überlegst du vielleicht, es selbst einmal zu probieren. ABER HALT! Bevor du loslegst, hier drei Empfehlungen unsererseits:
- Zuerst einmal solltest du nicht damit anfangen, X Stunden am Tag nichts zu essen. Höre einfach auf, dich ungesund zu ernähren. Tausche deine ungesunde gegen eine gesunde Ernährungsweise aus und treibe Sport.
- Wenn du findest, dass du eine Diät nötig hast, konsultiere einen professionellen Diätassistenten oder einen Ernährungsberater, verlasse dich nicht auf Dr. Google oder höre auf einen irgendeinen der sogenannten “Experten” auf Youtube.
- Solltest du dein Vorhaben dennoch auf eigene Faust umsetzen wollen, suche gezielt nach Informationen, die sich nicht nur auf die Vorteile und Wunderwirkungen des intermittierenden Fastens konzentrieren, sondern auch seine Kehrseiten und Nachteile thematisieren.
Beginnen wir mit den Basics:
Was ist Fasten? Fasten bedeutet, eine bestimmte Zeit lang auf Essen und/oder Trinken zu verzichten. Beim intermittierenden Fasten wechseln sich Phasen, in denen man nichts isst/trinkt (in manchen Fällen kann man auch Wasser, Kaffee oder Tee trinken) mit Phasen ab, in denen man Nahrung zu sich nimmt.
Wie viele Stunden dauert ein Fastenzyklus? Eine sehr gebräuchliche Formel ist 16:8, 16 Stunden wird gefastet und 8 Stunden normal gegessen. Es gibt aber auch Fastenzyklen, die 12 Stunden oder sogar einen ganzen Tag lang dauern.
Warum intermittierendes Fasten? Die IF-Anhänger führen hierfür im Wesentlichen zwei Gründe an: Gewichtsverlust und gesundheitliche Vorteile. Für Sportarten wie den Radsport wird außerdem der Nutzen für die körperliche Fitness angepriesen.
Befürworter des intermittierendes Fastens sprechen in der Regel nicht von einer “Diät”, sondern stellen stattdessen die Gewichtsabnahme und die gesundheitlichen Vorteile in den Vordergrund. Davon träumt doch jeder Mensch in der westlichen Welt (und zunehmend auch in der nicht-westlichen Welt): ohne Diät Gewicht verlieren. Aber glaubst du wirklich, dass du ohne eine Diät und mit der typischen westlichen Ernährung Gewicht verlieren und gesund sein kannst, nur weil du 16 Stunden am Tag fastest? Was soll in dem 8-Stunden-Zeitfenster passieren, wenn man nicht zugleich etwas an seinem Essverhalten ändert? Essanfälle, Verdauungsprobleme oder Essstörungen sind da schlicht vorprogrammiert.
Gibt es Beweise für die angeblichen gesundheitlichen Vorteile? Das National Institute of Aging, das zum U.S. Department of Health and Human Services (HHS) gehört, macht es hier deutlich: “Es gibt nicht genügend Beweise, um irgendeine Art von Kalorienrestriktion oder Fastenkur zu empfehlen”. Stattdessen heißt es: “Es gibt viele Beweise für weitere Maßnahmen, die man ergreifen kann, um im Alter gesund zu bleiben: Ernähren Sie sich ausgewogen, mit nährstoffreichen Lebensmitteln und in moderaten Mengen. Treiben Sie regelmäßig Sport. Trinken Sie Alkohol wenn nur in Maßen. Rauchen Sie nicht. Pflegen Sie ein aktives soziales Leben. Schlafen Sie ausreichend”.
Was also wirklich funktioniert, ist die Umstellung auf einen gesunden Lebensstil mit der richtigen Ernährung und mit körperlicher Betätigung, man könnte z.B. Radsport betreiben oder einfach nur öfter das Fahrrad benutzen. Übernimmt man diese gesunden Gewohnheiten und betreibt dabei intermittierendes Fasten, besteht eine reelle Chance, dass man wegen des Kaloriendefizits, das durch das Auslassen einer Mahlzeit – meist des Frühstücks – entsteht, Gewicht verliert. Das Frühstück ist ohnehin oft die Mahlzeit, in der wir am meisten Zucker, “schlechte” Fette, raffiniertes Getreide oder Salz in verarbeiteten und ultra-verarbeiteten Lebensmitteln zu uns nehmen.
Der oben zitierte Text des National Institute on Aging besagt, dass die Beweislage zu dünn ist, um intermittierendes Fasten zu empfehlen, und das stimmt. Das bedeutet zwar nicht, dass es keine Beweise für seine positiven Effekte gibt, aber es gibt eben nicht genug, um eine allgemeine Empfehlung auszusprechen. Vor allem wenn man bedenkt, dass es auch Studien gibt, die z. B. bezweifeln, dass IF effektiv gegen Diabetes Typ 2 hilft und andere Untersuchungen wie diese, die besagen: “Zeitlich begrenztes Essen ohne weitere Maßnahmen ist in Sachen Gewichtsabnahme nicht effektiver als seine Nahrung über den Tag verteilt zu sich zu nehmen”.
Aus diesem Grund ist es richtig, Vorsicht walten zu lassen, keine Wunderversprechen zu machen oder intermittierendes Fasten als Allheilmittel zu propagieren, denn erstens gibt es nur sehr wenige Studien und eine dünne Datenlage (vor allem Langzeitstudien mit einer signifikanten Anzahl menschlicher Teilnehmer fehlen); zweitens lassen diese nach kritischer Betrachtung keine signifikanten Vorteile erkennen; und drittens, selbst wenn es Fälle mit positiver Datenlage gibt, wissen wir nichts über mögliche Langzeiteffekte und ob intermittierendes Fasten womöglich Essstörungen begünstigt.
Wirkt intermittierendes Fasten im Radsport leistungssteigernd?
Die weltbesten Profi-Radsportteams der Damen und Herren sind in den Kategorien WorldTeam und ProTeam lizensiert. Sollte intermittierendes Fasten im Radsport leistungssteigernd wirken, sollte man annehmen, dass diese Teams IF in ihren Trainingslagern oder die Radsportler es in ihrem eigenen Training praktizierten, doch das ist nicht der Fall. Im Trainingslager nehmen die Athleten vor jeder Trainingseinheit ein Frühstück (mit unterschiedlichem Kaloriengehalt, aber immer gesund) zu sich und es gibt keinen Elite-Radsportler, der intermittierendes Fasten dauerhaft praktiziert, um seine Leistung zu steigern.
Es stimmt, dass es Profiradsportler gibt, die vor dem Frühstück trainieren, aber intermittierendes Fasten ist definitiv nicht das Gleiche wie im Rahmen eines kontrollierten Trainingsprogramms und einer Diät mit einer bestimmten Zielsetzung 2-3 Stunden auf nüchternen Magen zu trainieren. Natürlich würde kein Radsportler es auch nur in Erwägung ziehen, während eines Rennens zu fasten. Damit würde er sich sein eigenes Grab schaufeln. Es gibt Studien, die gewisse Vorteile des intermittierenden Fastens belegen, aber viele kommen zu dem Schluss, dass es keinen Unterschied macht. Andere besagen, dass es irrelevant ist, manche dass es keine signifikanten Effekte gibt und wieder andere kommen zu dem Ergebnis, dass es weitere Untersuchungen braucht. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit ist gelinde gesagt ungewiss.
Wenn du aus persönlichen Gründen, wegen der Arbeit oder aus Zeitmangel erst mittags oder abends mit leerem Magen trainieren möchtest, kannst du das tun, aber sei vorsichtig, dein Körper muss sich an die Veränderung anpassen können. Beachte dabei Folgendes:
- Du solltest aerob trainieren (60-70% deiner Kapazität).
- Maximal 2-3 Stunden. Du kannst daheim mit einem 1-stündigen Training auf einem Rollentrainer beginnen und schauen, wie es sich anfühlt.
- Nimm immer ein paar Snacks mit (selbstgemachtes Energy-Gel oder einen Energieriegel), nur für den Fall.
Letztlich braucht es einfach mehr Forschung, um mit Sicherheit sagen zu können, dass intermittierendes Fasten sich positiv auf die Leistung und Gesundheit von Radsportlern auswirkt. Wäre das der Fall, würden Profi-Radsportler es regelmäßig praktizieren und Organisationen wie die WHO (Weltgesundheitsorganisation) oder CDC (US-amerikanische Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention) würden es in ihre offiziellen Ernährungsleitfaden aufnehmen (hier and hier).
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