Befragt man Radsportlerinnen nach der wohl häufigsten Schmerzquelle, so wird die Antwort wahrscheinlich irgendetwas mit dem Sattel zu tun haben. Schon für Männer kann das Ganze sehr schmerzhaft und unangenehm sein, doch für Frauen ist es noch schlimmer, da ihr Gewicht beim Sitzen direkt auf den Genitalien lastet. Und genau diese Tatsache kann nicht nur zu den typischen Beschwerden führen, unter denen auch Männer leiden, sondern außerdem zu vielen weiteren. Wenn du wissen möchtest, wie du Schmerzen und anderen Beschwerden im Sattel vorbeugen kannst, dann findest du hier einen ausführlichen Leitfaden, der dich umfassend über mögliche Ursachen und ihre Lösungen aufklärt und dir nützliche Tipps mit an die Hand gibt.
Die vier häufigsten Arten von Schmerzen oder Beschwerden abfallend nach Häufigkeit sind:
- Taubheitsgefühle, Scheuerstellen, Follikulitis und Furunkel
- Vaginitis
- Harnwegsinfekte
- Genitale Hypertrophie
Taubheitsgefühle, Scheuerstellen, Follikulitis und Furunkel
Taubheitsgefühle
64 % aller in dieser Studie befragten Profi-Radsportlerinnen berichteten über Taubheitsgefühle im Genitalbereich. Größere Studien, die auch Amateur- und Hobbysportlerinnen einschließen, gibt es zwar nicht, doch wären auch hier ähnliche Ergebnisse zu erwarten. Taubheitsgefühle sind zwar nicht gefährlich und beeinträchtigen weder die Sexualfunktion noch die Harnausscheidung, jedoch sind sie ein zuverlässiger Indikator für ein Problem, bei dem auf lange Sicht Handlungsbedarf besteht.
Meistens sind Taubheitsgefühle auf eine schlechte Körperhaltung und/oder den falschen Sattel zurückzuführen.
Gelöst werden kann das Problem durch eine biomechanische Analyse, mit der dein Rad an deine Fitness, deine Flexibilität und deine persönlichen Bedürfnisse angepasst wird. Auch solltest du verschiedene Sättel ausprobieren, um das richtige Modell für dich zu finden. Abstriche sind hier keine gute Idee, schließlich ist ein falsch eingestellter guter Sattel genauso schlecht wie ein richtig eingestellter falscher Sattel.
Scheuerstellen
Scheuerstellen in der Leistengegend und an den Oberschenkelinnenseiten gehören ebenfalls zu den am häufigsten genannten Beschwerden. Sie sind zwar nicht weiter schlimm (ausgenommen sind durch permanente Reibung verursachte Verbrennungen), können aber sehr unangenehm sein. Sollte deine Haut blutig sein, achte vermehrt auf deine Körperhygiene und wasche deine Radlerhosen regelmäßig, so kannst du Infektionen vorbeugen.
Die Ursachen sind vielfältig: falscher Sattel, falsche Körperhaltung, zu große oder zu kleine Trägerhose, abgenutztes oder falsches Sitzpolster, Unterwäsche unter der Trägerhose, trockene Haut, übermäßiges Schwitzen, Wachsen… oder die Tatsache, dass man 10 Stunden im Sattel gesessen und es schlichtweg übertrieben hat.
Lösungen:
- Fahrrad einstellen und Sattel wechseln.
- Trägershorts in richtiger Größe und mit passendem Sitzpolster kaufen. Auf Unterwäsche verzichten.
- Auf eine gute Körperhygiene achten und Trägershorts regelmäßig waschen.
- Haut vor und nach dem Training mit Feuchtigkeit versorgen.
- Regelmäßig Gesäßcreme auftragen (es gibt spezielle Cremes für Frauen, die keine Inhaltsstoffe enthalten, die den weiblichen Genitalien schaden können). Erhältlich sind außerdem Cremes, die das Wundscheuern der Oberschenkelinnenseiten verhindern.
- Vorsichtig bei der Haarentfernung. Wir meinen damit nicht, dass du ganz darauf verzichten sollst – das ist immer noch deine Sache -, doch bedenke, dass Schamhaare eine Schutzbarriere bilden; sobald du sie entfernst, sind deine Weichteile Reibung und Reizungen ausgesetzt.
Follikulitis und Furunkel
Entzündungen und Infektionen eines oder mehrerer Haarfollikel können einem leicht die komplette Radfahrsaison verderben.
Ursachen für Follikulitis und Furunkel:
- Ausgezupftes oder rasiertes Haar wächst nach
- Übermäßiges Schwitzen
- Falsche Körperhygiene
- Übermäßige Reibung
Vermeiden lassen sich all diese Probleme am effektivsten durch die im vorigen Abschnitt aufgeführten Lösungen.
Haben sich Follikulitis oder Furunkel erst einmal eingestellt, bleibt oft nur noch der Gang zum Arzt, der einem ein Antibiotikum verschreibt. Danach heißt es, das Radfahren so lange auf Eis zu legen, bis sich das Problem vollständig gelegt hat. Follikulitis und Furunkel können sehr lästig und schmerzhaft sein und machen es praktisch unmöglich, sich in den Sattel zu schwingen.
Vaginitis
Die Vaginitis oder Scheidenentzündung ist eine recht häufige Erkrankung unter Frauen, egal ob Radsportlerin oder nicht. Bei Sportlerinnen tritt die vaginale Hefepilzinfektion am häufigsten auf, da die Feuchtigkeit und Wärme im Sitzpolster den perfekten Nährboden für Bakterien und Pilze bilden. Häufige Symptome sind: ungewöhnlicher Ausfluss, veränderter Geruch, Juckreiz und Brennen sowie Schmerzen beim Wasserlassen oder Geschlechtsverkehr.
Damit Hefepilzinfektionen gar nicht erst entstehen, gilt es, Bakterien und Pilzen von vornherein den Nährboden zu entziehen. Das heißt:
- Nach dem Training so schnell wie möglich die Trägershorts ausziehen, duschen und den gesamten Genitalbereich abtrocknen. Falls du nicht duschen kannst, dann benutze Intimpflegetücher. Doch behalte dabei immer im Hinterkopf: Sie sind nur eine Notlösung und können in der empfindlichen Körperregion Hautirritationen hervorrufen.
- Trägershorts waschen und gründlich trocknen, dabei immer der Wasch- und Pflegeanleitung des Herstellers folgen.
- Eine hochwertige Trägershorts wählen, deren Sitzpolster das Bakterienwachstum hemmt.
Vaginale Hefepilzinfektionen werden mit Antimykotika, meist in Form einer Creme, behandelt. Steroidhaltige Cremes können Juckreiz und Brennen entgegenwirken; in einigen Ländern sind sie ohne Rezept erhältlich. Solltest du jedoch den Verdacht haben, dass du an einer Scheideninfektion leidest, dann gehe besser zum Arzt. Denn nur er kann die richtige Diagnose stellen und dir die passenden Medikamente verschreiben.
Was den Verzehr von Joghurt oder probiotischen Lebensmitteln zur Vorbeugung von Vaginitis anbelangt, so gibt es laut Forschung “keine ausreichenden Beweise dafür, dass der alleinige oder begleitende Einsatz von Probiotika bei der Behandlung von Vulvovaginaler Candidiasis bei nicht schwangeren Frauen hilfreich ist”.
Harnwegsinfekte
Harnwegsinfekte treten bei Radsportlerinnen ebenso häufig auf wie Scheidenentzündungen, da der Bereich, der durch das Sitzpolster geschützt wird, den idealen Nährboden für Bakterien bildet und Erreger leicht in die Harnröhre gelangen und die Harnwege infizieren können. Die häufigsten Symptome sind:
- Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen
- Häufiger Harndrang
- Gefühl, urinieren zu müssen, aber nicht zu können
- Trüber Urin
- Blut im Urin
Bei der Vorbeugung von Harnwegsinfekten gilt das Gleiche wie bei der Vaginitis. Am wichtigsten sind eine gründliche Körperhygiene und das regelmäßige Waschen der Trägershorts.
Was den Verzehr von reinem, ungesüßtem Cranberrysaft zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten angeht, kommt diese Metaanalyse von Cochrane zu dem Schluss, dass “Cranberrysaft gegenwärtig nicht zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen empfohlen werden kann”.
Genitale Hypertrophie
Sie tritt in der Regel an den kleinen Schamlippen auf, kann aber auch die großen Schamlippen oder beide betreffen. Permanenter Druck und dauerhafte Reibung führen aufgrund des mangelnden Lymphabflusses zu Entzündungen, die wiederum zu einer Vergrößerung der Schamlippen führen. Je höher Druck und Reibung, desto geringer der Abfluss und desto stärker die Entzündung. Aus diesem Grund betrifft das Problem vor allem Leistungssportlerinnen und Frauen, die wie z. B. Triathletinnen viel Zeit in der gleichen Sitzposition verbringen.
Zu den Symptomen zählen Entzündungen, Reizungen und Druckschmerzen. Hier rät es sich unbedingt, schnellstmöglich einen Arzt aufzusuchen.
Wie lässt sich genitaler Hypertrophie vorbeugen? Abhilfe schaffen: eine biomechanische Analyse und ein geeigneter Sattel, der das Gewicht zwischen den Kontaktpunkten mit dem Fahrrad (Sattel, Lenker und Pedale) verteilt und einen guten Flüssigkeitsabfluss im Genitalbereich ermöglicht.
In einigen Fällen ist ein chirurgischer Eingriff die einzige Möglichkeit. Eine extreme Lösung und oft der letzte Ausweg für Frauen, die an Genitalhypertrophie leiden und auch nach der Einstellung des Fahrrads und der Wahl eines geeigneten Sattels noch Schmerzen verspüren.
Fazit: So gut wie alle sattelbedingten Beschwerden lassen sich durch eine angepasste Körperhaltung, den richtigen Sattel und eine qualitativ hochwertige Trägerhose, die sauber und trocken gehalten wird, sowie durch gründliche Körperhygiene beheben.