Vor der Einführung der Powermeter war das Herzfrequenztraining das wichtigste Instrument, um als Radsportler eine solide und starke Grundlage zu schaffen und die eigene Leistung zu verbessern. Obwohl Powermeter immer populärer werden und leichter zugänglich sind als früher, sind Herzfrequenzmesser fast genauso beliebt. Aus diesem Grund möchten wir dir folgenden Leitfaden mit an die Hand geben, der dir den Einstieg in diese alternative Form der Leistungsdiagnostik erleichtern soll:
Schritt 1: Grundausstattung
Wichtige Essentials:
- Das Fahrrad. Je besser dein Fahrrad in Schuss und auf deinen Körper abgestimmt ist, desto mehr kannst du davon profitieren. Du holst das Beste aus deinem Fahrrad heraus, fühlst dich im Sattel wohler und sicherer und beugst Verletzungen vor.
- Der Herzfrequenzmessgurt/-sensor in Kombination mit einem Fahrradcomputer, einer Smartwatch oder einem Smartphone. Es kann auch eine Smartwatch mit integriertem Herzfrequenzmesser verwendet werden.
Die Kombination aus Brustgurt und Fahrradcomputer ist unter Radsportlern am weitesten verbreitet. Um die Daten auswerten zu können, muss das Herzfrequenzmessgerät mit dem Fahrradcomputer synchronisiert und das Display so eingestellt werden, dass die gewünschten Informationen wie aktuelle Herzfrequenz, Intervall-/Rundenherzfrequenz und Durchschnittsherzfrequenz angezeigt werden.
Es gibt viele verschiedene Arten von Herzfrequenzmessgeräten. Sie können mit jedem Gerät synchronisiert werden, solange beide Geräte miteinander und mit dem von ihnen unterstützten Verbindungssystem (Bluetooth und/oder Ant+) kompatibel sind.
Schritt 2: Kenne deinen Ruhepuls (RHF)
Die eigene Ruheherzfrequenz liefert nützliche Informationen zur Beurteilung des eigenen Fitnessniveaus und der Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems. Regelmäßige Messungen helfen, das Training gezielt zu optimieren und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
So bestimmst du deinen Ruhepuls
Am besten misst man den Ruhepuls direkt nach dem Aufwachen, kurz bevor man aufsteht. Dazu kann entweder ein Herzfrequenzmessgerät verwendet oder der Puls manuell am Handgelenk oder am Hals gemessen werden. Nach einer Messdauer von 30 Sekunden wird das Ergebnis mit 2 multipliziert.
Um genauere und vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, empfiehlt es sich, die Ruheherzfrequenz jeden Morgen zur gleichen Zeit zu messen.
Konzentriere dich hier weniger auf die täglichen Schwankungen, sondern vielmehr darauf, wie sich Wochen oder sogar Monate des Trainings und der Erholung auf deine Fitness auswirken.
Eine niedrige Ruheherzfrequenz ist ein Zeichen für eine gute Herz-Kreislauf-Gesundheit. Je effizienter das Herz Blut durch den Körper pumpt, desto niedriger ist die Ruheherzfrequenz. Eine allmähliche Senkung der Ruheherzfrequenz kann auf eine Verbesserung der Herz-Kreislauf-Gesundheit und der Fitness hindeuten.
Stress und Müdigkeit können sich negativ auf deinen Ruhepuls auswirken. Ein ungewöhnlicher Anstieg kann ein Zeichen dafür sein, dass dein Körper mehr Zeit zur Regeneration benötigt und du dich auf leichtere Trainingseinheiten konzentrieren solltest.
Starke Schwankungen der Ruheherzfrequenz können auf gesundheitliche Probleme oder Veränderungen der körperlichen Verfassung hinweisen. Ein plötzlicher Anstieg kann auf Stress, Krankheit oder Übertraining hindeuten, was wiederum das Verletzungsrisiko erhöht. Wer diese Schwankungen im Auge behält, kann chronischen Gesundheitsproblemen effektiv vorbeugen.
Schritt 3: Kenne deine maximale Herzfrequenz (HFmax)
Die Bestimmung der maximalen Herzfrequenz ist wichtig, um die eigenen Trainingsbereiche festzulegen und das Training an die eigene körperliche Verfassung anzupassen. Zur Bestimmung der maximalen Herzfrequenz das eigene Alter von 225 (für Frauen) oder 220 (für Männer) zu subtrahieren, ist weniger empfehlenswert, da diese Methode zu ungenau und jeder Mensch anders ist. Sobald du deine maximale Herzfrequenz ermittelt hast, kannst du deine Trainingszonen anpassen und sicherstellen, dass die Intensität deines Trainings deinen Zielen und deiner körperlichen Verfassung entspricht.
Bevor du deine maximale Herzfrequenz bestimmst, ist es sinnvoll, einen Belastungstest zu machen, vor allem, wenn du gerade erst mit dem Sport begonnen hast oder an einer Vorerkrankung leidest. Die meisten modernen Fahrradcomputer verfügen über Apps, mit denen du den Test sowohl draußen als auch drinnen durchführen kannst. Alternativ kannst du auch folgende Methode ausprobieren:
- Suche dir einen langen, mehr oder weniger gleichmäßigen Anstieg mit mäßiger Steigung (5-6 %).
- Fahre dich 30 Minuten in einem Tempo warm, in dem du dich problemlos unterhalten kannst.
- Erhöhe den Rhythmus für 15 Minuten auf ein mittleres Tempo (das Sprechen wird schwieriger) und versuche, das Ende dieses Abschnitts genau mit dem Beginn des Anstiegs zu koordinieren.
- Nun steigere das Tempo langsam über 5 Minuten. In Minute 5 heißt es dann volle Power, um die maximale Herzfrequenz zu erreichen.
- Führst du den Test zum ersten Mal durch, werden deine Beine wahrscheinlich eher die Segel streichen als deine Pumpe. Aber keine Sorge, das ist ganz normal.
- Natürlich kannst du den gesamten Vorgang auch wiederholen, um die durchschnittliche Herzfrequenz aus den beiden ermittelten HFmax-Werten zu berechnen, aber Achtung: Im zweiten Durchgang volle Power zu geben, ist nahezu unmöglich.
Schritt 4: Bestimme deine Trainingszonen
Nun, da du deine maximale Herzfrequenz kennst, kannst du anhand des Prozentwerts deine individuellen Trainingszonen berechnen. Diese Zonen bestimmen die Intensität deines Trainings und helfen dir, deine Trainingseinheiten effektiv zu gestalten und Ausdauer, Schnelligkeit oder Kraft zu verbessern.
Die Anzahl der herzfrequenzbasierten Trainingszonen kann je nach verwendetem Berechnungssystem variieren, in der Regel werden jedoch fünf Zonen unterschieden:
Zone 1 – Aktive Erholung (50-59% der HFmax): Diese Zone eignet sich ideal zum Aufwärmen und zur aktiven Erholung. Die Herzfrequenz ist hier am niedrigsten, was die Erholung und das aerobe Grundlagentraining fördert. In diesem Bereich kann man sich unterhalten, ohne aus der Puste zu kommen.
Zone 2 – Ausdauer (60-69% der HFmax): Niedriges Tempo, ideal für die Entwicklung der oben genannten aeroben Grundlagen und ein angenehmes Tempo für lange Trainingseinheiten. Eine Unterhaltung ist immer noch möglich, aber die Atmung wird tiefer.
Zone 3 – Schnelligkeit (70-79% der HFmax): In dieser Zone trainierst du bei mittlerer bis hoher Intensität und verbesserst deine kardiovaskuläre Ausdauer (d.h. die aerobe Fitness). Das Training in diesem Bereich erhöht die Lungenkapazität und verbessert die Durchblutung. Sprechen ist noch möglich, aber schwieriger als in Zone 1 und 2.
Zone 4 – Laktatschwelle (80-89% der HFmax): In diesem Bereich ist die Belastung hoch und intensiv und verbessert die aerobe Kapazität und die Laktattoleranz. Intervalle in diesem Bereich verbessern die Schnelligkeit und das Hörvermögen. Das Sprechen wird zunehmend schwieriger.
Zone 5 – VO2 Max (90-100% der HFmax): Hier ist die Belastung am höchsten, optimal zur Verbesserung von Schnelligkeit und Kraft. Kurze, intensive Intervalle in diesem Bereich sind sinnvoll, um die anaerobe Kapazität zu verbessern. Sprechen ist nahezu unmöglich. Das Einzige, was du von dir geben kannst, sind verzweifelte Laute der Erschöpfung.
Zwar könnte man noch zwei weitere Zonen hinzufügen, aber dann wäre das Ganze zu kompliziert und ehrlich gesagt: Wer gerade mit dem Sport angefangen hat, will sicher nicht wissen, was nach Zone 5 folgt. Auch könnte man das System etwas vereinfachen und die ersten drei Zonen zu einer zusammenfassen, schließlich bewegen sich Anfänger auf ihren Touren meist ausschließlich in diesen drei Zonen. Grundsätzlich gilt: Erst wer genügend Zeit im Sattel verbracht und trainiert hat, sollte seine Grenzen weiter ausreizen.
Schritt 4: Trainingspläne
Jetzt, wo du deine maximale Herzfrequenz und deine Trainingszonen kennst, kannst du dein Training strukturieren und effektiver gestalten. Um wirklich das Beste aus dir herauszuholen, solltest du dich jedoch von einem Personal Trainer professionell beraten lassen. Alternativ kannst du auch Apps nutzen, die dir verschiedene Trainingspläne zur Auswahl bieten (Zwift, Garmin, TrainingPeaks). Wenn es dir aber nur darum geht, deinem Training eine gewisse Struktur zu verleihen, kannst du dir natürlich auch selbst einen Plan erstellen, das Internet hilft dir hier gerne weiter. Hier ein paar Beispiele:
Ausdauer- und aerobes Grundlagentraining (Zone 1-2): Langsame, leichte Touren, bei denen die Herzfrequenz zwischen Zone 1 und 2 liegt. Du verbesserst deine Ausdauer und gewöhnst dich ans Radfahren.
Beispiel: 60-minütige Ausfahrt in angenehmem Tempo in Herzfrequenzzone 2.
Aerobes Training (Zone 3-4): Steigerung der Intensität zur Verbesserung der Herz-Kreislauf-Leistung.
Beispiel: 60-minütige Ausfahrt. Aufwärmen für 15 Minuten in Zone 1 und 2, dann vier Intervalle von je 5 Minuten in Zone 4, gefolgt von 5 Minuten in Zone 3.
Intervalltraining (Zone 5): Kurze Intervalle, um Geschwindigkeit und Kraft zu steigern.
Beispiel: 60-minütige Ausfahrt. Aufwärmen für 20 Minuten in Zone 1 und 2, gefolgt von 8 Wiederholungen à 20 Sekunden in Zone 5, gefolgt von 40 Sekunden Erholung in Zone 1.
Dies sind nur einige allgemeine Tipps. Natürlich kannst du die Länge der einzelnen Intervalle an deine körperliche Verfassung und deine spezifischen Ziele anpassen. Wie gesagt, ist es immer ratsam, sich von einem Fachmann oder einem Personal Trainer beraten zu lassen, der dir helfen kann, dein Training auf deine persönlichen Bedürfnisse abzustimmen. Aber natürlich verstehen wir auch, dass Anfänger nicht immer die Möglichkeit dazu haben.
Halten wir fest: Die Herzfrequenz beim Radfahren ist ein wichtiges Hilfsmittel, um Trainingseinheiten anzupassen und zu optimieren, Kraftanstrengung und Ausdauer zu überwachen, die eigene Leistung einzuschätzen, Erschöpfungszustände zu erkennen und gleichzeitig Gesundheitsrisiken zu reduzieren.