Egal ob Mountainbike, Rennrad, Gravel- oder Urbanbike, einer der häufigsten Fehler, den Radfahrer machen, ist, mit dem falschen Reifendruck zu fahren. Manchmal geschieht dies aus Übermut, weil man glaubt, mit viel Druck mehr Tempo machen zu können. Oder aber man nimmt fälschlicherweise an, Fahrradreifen seien luftdicht und würden nur bei einer Reifenpanne Luft verlieren. Doch falsch gedacht. Steinharte Reifen bedeuten nicht automatisch, dass man schneller fährt. Und schon allein aus Sicherheitsgründen bietet es sich an zu prüfen, ob der Reifendruck u.a. dem eigenen Körpergewicht und der Laufradbreite entspricht. Doch fangen wir besser ganz von vorne an und widmen uns den Grundlagen:
Die Basics
Um den richtigen Reifendruck zu ermitteln, braucht es eine Pumpe mit Manometer oder besser noch einen separaten analogen oder digitalen Manometer. Viele Pumpen sind nicht zu 100% genau, da sie den Druck in der Pumpe und nicht im Reifen messen.
Die beiden gängigsten Druckmesseinheiten sind PSI und bar. Wenn wir in diesem Artikel von Druckmesseinheit sprechen, dann meinen wir immer PSI. Unten findest du eine Umrechnungstabelle für beide Einheiten:
Die vom Hersteller empfohlenen Druckbereiche bzw. der Maximaldruck (in PSI und/oder bar) sind bei allen Reifen auf den Reifenflanken und/oder Felgen angegeben. Aus Sicherheitsgründen sind die Empfehlungen in der Regel recht restriktiv, will man jedoch keine unnötigen Probleme haben, so empfiehlt es sich, diese Grenzwerte einzuhalten.
Sollten die Angaben auf Reifenflanke und/oder Felge fehlen, hier zur Orientierung die empfohlenen PSI-Werte für einen 70 kg schweren Radfahrer:
FAHRRAD- TYP | REIFEN- BREITE | MIT DRAHT-REIFEN VORNE | MIT DRAHT-REIFEN HINTEN | MIT TUBELESS-REIFEN VORNE | MIT TUBELESS-REIFEN HINTEN |
Rennrad | 25 MM | 90 PSI | 93 PSI | 80 PSI | 83 PSI |
Urban-/ Hybridbike | 35 MM | 50 PSI | 55 PSI | 38 PSI | 40 PSI |
Gravelbike | 35 MM | 48 PSI | 50 PSI | 36 PSI | 38 PSI |
MTB 29” | 2.1” | 36 PSI | 38 PSI | 26 PSI | 28 PSI |
Bei diesen Angaben handelt es sich um Richtwerte. Der optimale Reifendruck hängt von diversen Faktoren ab, auf die wir im Folgenden noch eingehen werden.
Faktoren, die Einfluss auf den idealen Reifendruck nehmen
Befassen wir uns nun mit den sechs wichtigsten Einflussfaktoren
- Reifenbreite
- Reifenkarkasse
- Tubeless-System
- Gewicht des Radfahrers + Ausrüstung/Gepäck und ihre Gewichtsverteilung
- Geländeart
- Wetter und Temperatur
Reifenbreite
Je breiter der Reifen, desto weniger Druck ist erforderlich. In einfachen Worten: Druck ist ein Maß für die Kraft, die von einem Gewicht auf eine Fläche ausgeübt wird. In diesem Fall die Luft im Schlauch oder Reifen. Vergrößert man die Oberfläche (breiterer Reifen), braucht es weniger Druck (die Kraft der Luft im Inneren, die nach außen drückt), damit der Reifen – und das ist am wichtigsten – richtig auf der Felge sitzt.
Wechselt man also bei einem Rennrad von 25 auf 28 mm Reifenbreite oder bei einem MTB von 2,1″ auf 2,3″, braucht es weniger PSI. Aber wie viel weniger? Genau lässt sich das nicht sagen, doch der richtige Wert liegt etwa 10 % unter dem idealen Reifendruck.
Reifenkarkasse
Reifen mit Karkassen aus Materialien wie Baumwolle oder mit hohem TPI wiegen weniger und sind flexibler und schneller. Reifen mit niedrigem TPI sind schwerer, steifer und langsamer, halten aber länger und sind weniger anfällig für Pannen. Ein Reifen mit hohem TPI also bietet mehr Leistung und ist bei höherem Druck weniger pannenanfällig. Andererseits ermöglicht ein niedriger TPI weniger PSI und damit bessere Traktion und Dämpfung bei gleichzeitig niedrigem Pannenrisko.
Tubeless-System
Schlauchlose Reifen erlauben einen niedrigeren Reifendruck für mehr Grip und Komfort bei gleichzeitig geringem Snakebite-Risiko. Außerdem gibt es keine Reibung zwischen Reifen und Schlauch und das lässt den Tubeless-Reifen bei gleichem PSI-Wert schneller werden.
Gewicht des Radfahrers + Ausrüstung/Gepäck und ihre Gewichtsverteilung
Man muss kein Physikgenie sein, um zu verstehen, dass das eigene Körpergewicht und Gepäck ein wichtiger Faktor bei der Ermittlung des optimalen Reifendrucks ist. Je schwerer der Radfahrer, desto höher sollte der Reifendruck sein. Pro 5 Kilo Gewicht mehr oder weniger empfiehlt es sich, 2 PSI für Rennräder und 1 PSI für MTBs, Hybridräder und Gravelbikes zu addieren oder zu subtrahieren. Die vom Hersteller empfohlenen Mindest- und Höchstwerte sollten jedoch immer eingehalten werden.
Die Sitzposition beim Fahren bewirkt, dass das Hinterrad etwa 60-70 % des Gesamtgewichts trägt. Achte daher darauf, dass der Druck im Vorderrad niedriger ist als im Hinterrad. Er sollte etwa 2-3 PSI niedriger sein, doch das hängt immer auch von der eigenen Fahrposition sowie von Fahrraddisziplin und Fahrstil ab.
Geländeart
Auf asphaltierten, geraden Straßen sollte der Reifendruck so hoch sein, wie es Reifen und Körpergewicht nahelegen. Das Problem ist nur, dass die meisten Straßen eben nicht perfekt eben sind. Will man also nicht jede Unebenheit spüren und dadurch an Effizienz und Komfort einbüßen, ist es besser, mit einem Reifendruck zwischen 90 und 100 PSI zu fahren. So ist der Reifen schneller und fährt sich komfortabler, weil er Unebenheiten und kleine Vibrationen besser ausgleichen kann. Zusätzlich hat man in den Kurven mehr Grip.
Beim MTB oder Gravelbike gestaltet sich das Ganze schwieriger, da das Gelände sehr unterschiedlich sein kann. Hier gilt allein: Probieren geht über Studieren. Besser man fährt mit hohem Reifendruck los. Ihn kann man später immer noch reduzieren, um zu sehen, wie es sich das Rad fährt und herauszufinden, wie viel PSI das jeweilige Terrain erfordert. Ob niedriges Pannenrisiko, Grip oder Komfort bei gleichbleibendem Tempo – das Gleichgewicht ist der Schlüssel zum Erfolg.
Wetter und Temperatur
Dass es sich bei Nässe empfiehlt, den Reifendruck etwas abzusenken, weißt du wahrscheinlich bereits, aber übertreibe es nicht. 2-3 PSI reichen vollkommen aus, wenn du den Reifendruck bereits auf Reifen, Gewicht und Terrain abgestimmt hast. Übertreibst du es, kann der Reifen instabil werden und an Grip verlieren. Es passiert also das genaue Gegenteil von dem, was du eigentlich erreichen wolltest. Außerdem erhöht sich das Pannenrisiko, insbesondere bei Drahtreifen.
Bei schlammigem Untergrund spielt ein Reifenprofil mit hohen, dicken und weit auseinander liegenden Stollen eine ebenso wichtige Rolle wie ein niedrigerer Reifendruck.
Auch die Temperatur spielt hier eine wichtige Rolle. Vor allem, wenn es extreme Unterschiede zwischen Innen- und Außentemperaturen gibt. Je wärmer es wird, umso höher wird der Druck und umgekehrt. Pro 5 °C oder 10 °F gewinnst oder verlierst du 1 PSI. Wenn du deine Reifen zu Hause bei 21,1 °C oder 70 °F aufpumpst und es draußen 0 °C oder 32 °F ist, büßen deine Reifen etwa 4 PSI ein.
5 der eben erwähnten 6 Faktoren finden auch in Srams Onlinerechner Berücksichtigung, der dir dabei helfen soll, den idealen Reifendruck zu ermitteln.
Wie der Reifendruck sich auf die Leistung auswirkt
Der falsche Reifendruck, egal ob zu hoch oder zu niedrig, kann zu einer schlechten Reifenleistung in Sachen Grip, Komfort, Rollwiderstand und Reifenpannen führen. Da die Reifen die einzigen Berührungspunkte mit dem Boden darstellen, überträgt sich ihre schlechte Leistung zwangsläufig auch auf Fahrrad und Fahrer.
Wir haben sie bereits mehrfach erwähnt, doch hier noch einmal die Vor- und Nachteile von niedrigem und hohem Reifendruck in aller Kürze:
Niedriger Reifendruck
- Vorteile
- Bessere Traktion
- Besserer Grip
- Höherer Komfort
- Geringerer Rollwiderstand auf holprigem Terrain
- Nachteile
- Bei Drahtreifen höheres Risiko für Snakebites
- Höherer Verschleiß
- Höherer Rollwiderstand auf Asphalt und leichtem Gelände
Hoher Reifendruck
- Vorteile
- Weniger Pannen
- Weniger Verschleiß
- Geringerer Rollwiderstand auf Asphalt und leichtem Gelände
- Nachteile
- Weniger Grip und Traktion
- Weniger Komfort
- Energieverlust auf holprigem Terrain
Jeder Radfahrer muss den optimalen Reifendruck für sich finden, um ein Gleichgewicht zwischen Grip, Komfort, Rollwiderstand und Pannensicherheit zu erreichen. Gibt man einem dieser Punkte den Vorzug, büßt man auf anderer Seite ein. Und obwohl sich Reifen, Felgen und Fahrradequipment ständig weiterentwickeln und mittlerweile eine Leistung bieten, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar schien, spielt der Reifendruck nach wie vor eine wichtige Rolle. Wir alle können und sollten unter verschiedenen Rahmenbedingungen mit dem Reifendruck herumexperimentieren, und das frei nach dem Motto Probieren geht über Studieren, denn Luft kostet schließlich nichts.